Mehr Storytelling mit Fujifilm: Meine Erfahrungen mit einem Wechsel von Nikon Vollformat zur Fujifilm X-Serie

Das Internet ist momentan voll von Berichten, in denen Fotografen ihre Erfahrungen mit einem „Systemwechsel“ von DSLR auf ein spiegelloses System beschreiben. Von Nikon auf Fujifilm, von Canon auf Sony, von Pentax auf Olympus. In Foren und Anzeigen stolpert man plötzlich zuhauf über Anzeigen kompletter Spiegelreflex-Ausrüstungen, die „wegen Systemwechsel“ zum Verkauf stehen. Die Gebrauchtpreise für Nikon und Canon Objektive sind in den vergangenen Monaten rapide gesunken. Als ich im Sommer ein Bild meiner neuen Fuji X-T2 auf meinem Instagram-Kanal zeigte, schien auch bei euch ein sehr großes Interesse zu dem Thema. Auch wenn mittlerweile bereits die X-T3 auf dem Markt ist, ist es ein Jahr später an der Zeit ein kurzes Fazit zu ziehen. Im folgenden Blog-Artikel möchte ich daher meine ganz persönlichen Erfahrungen mit meinem schrittweisen Wechsel von Nikon Vollformat auf das Fujifilm X-System mit euch teilen.

 
Los ging es mit einer Fuji X-T20. Klein, unauffällig und mit einem ziemlich analogen Look ist sie perfekt für Reisen.

Los ging es mit einer Fuji X-T20. Klein, unauffällig und mit einem ziemlich analogen Look ist sie perfekt für Reisen.

 

Mit einer Vollformat-DSLR unterwegs in Peru

Viele beschreiben den Wechsel ihrer Kamera so, wie den Wechsel ihrer Partnerin (man kenne sie so gut, all ihre Stärken und Schwächen, sie sei einem so ans Herz gewachsen) und fühlen sich bei Gedanken an einen Systemwechsel wie vor einem Seitensprung. Ich muss zugeben, ich bin bei Kameras nicht besonders emotional. Für mich ist meine Kamera in erster Linie ein Werkzeug. Gerade deshalb habe ich mich eigentlich auch nie bewusst zu einem Systemwechsel entschieden. Er ist mir eher einfach so passiert.

Ich habe meine Kamera immer dabei. Auf knackigen alpinen Bergtouren, in den überfüllten Großstädten Südamerikas genauso wie auf langen Backpack-Reisen. Sei es nun die Streetfotografie, die Landschaftsfotografie oder ein völlig anderes Genre, eine Kamera bringt einem nur was, wenn man sie auch wirklich mitnimmt. Eigentlich hatte ich nie Probleme damit, die Kameraausrüstung zu „schleppen“. Irgendwie hatte ich mich daran gewöhnt, und für gute Bilder war es mir das allemal wert.

Auf einer längeren Reise durch Peru bemerkte ich schließlich immer wieder meine Hemmungen, eine fremde Person mit meiner großen Nikon D610 zu fotografieren. Auch wenn meine Bitten um ein Foto nie abgelehnt wurden, hatte ich oft das Gefühl meine Kamera könnte schöne Moment möglicherweise zerstören. Auch war ein unauffälliges Fotografieren in den Städten kaum möglich. Machen wir uns nichts vor, eine Vollformat-DSLR fällt immer auf. Ob nun mit Festbrennweite oder nicht.

 

Eine Fuji für die Reisefotografie

Ich kam mit tollen Aufnahmen aus Peru zurück. Die Qualität, selbst einer Einsteiger-Vollformat-Kamera, lässt heutzutage in den wenigsten Fällen noch Wünsche offen. Als kurz nach der Peru-Reise bereits die Vorbereitungen meiner dreieinhalb-monatigen Argentinien-Reise losgingen, beschäftigte ich mich zunehmend mit dem Equipment vieler Streetfotografen und stieß dabei auf die X100F. Eine unauffällige Kompaktkamera mit einem fest verbauten 35mm Vollformat-Äquivalent. Die Kamera war faszinierend, aber irgendwie überzeugte mich der Gedanke nicht, so viel Geld für eine Kamera mit fest verbautem Objektiv auszugeben. Bald darauf entschied ich mich, neben dem ganzen Nikon Equipment, eine Fuji X-T20 nebst einem 23mm f2 Objektiv auf die anstehende Reise mitzunehmen. Die Nikon für Landschaften, die Fuji für die Städte und Menschen.

Die Fuji ist klein, leicht und in fast jeder Tasche verstaubar. Vor allem aber ist sie unauffällig. In den Städten, aber auch in den Dörfern meiner Forschungsregion fotografierte ich damit Menschen deutlich selbstbewusster. Zwar musste ich mit dem 35mm-Äquivalent deutlich näher ran, die Kamera baut dafür keine große Barriere zwischen Fotografierendem und Fotografiertem auf. Sie wirkt weniger aggressiv und ist schnell wieder in der Tasche verschwunden. Ich merkte schnell, dass die Nikon fast immer im Auto oder im Zimmer blieb. Auch merkte ich bei den Landschaftsaufnahmen keinen merklichen Unterschied zwischen der Nikon und der Fuji. Obwohl ich einen gesamten Rucksack voll Nikon-Ausrüstung dabei hatte, stammen eigentlich alle wichtigen Bilder der Reise aus der Fuji X-T20. Die Fuji war einfach verdammt praktisch.

 

Stärken der Fujifilm X-Serie

Nach der Reise brauchte ich dann nicht mehr lange überlegen. Nach kurzer Recherche entschied ich mich für die Fujifilm X-T2. Zwar behielt ich die Nikon Ausrüstung noch, das Zeug verstaubte jedoch im Grunde nur mehr im Schrank. Für mich haben die Fujis gegenüber den großen Spiegelreflexkameras einfach ein paar wesentliche Stärken, die ich hier kurz ausführen möchte. Die Punkte sind nach subjektiver Relevanz sortiert.

1.      Sehr unauffällig auf Reisen. Die Fuji-Kameras haben durch ihr Retrodesign zweifelsohne einen analogen Touch. Das mag zwar nicht jedem gefallen, es erleichtert aber auf alle Fälle das Fotografieren mit fremden Menschen. Einer fremden Person eine große Spiegelreflexkamera ins Gesicht zu halten kann unter Umständen sehr aggressiv wirken. Natürlich ist die Ethik des Fotografen auch mit der Fuji-Kamera noch ein wichtiges Thema, das Fotografieren selbst wird jedoch vereinfacht.

 

2.      Hervorragende Objektivauswahl. Fujifilm fokussiert sich auf seine APS-C Sensoren und ist nicht in den Vollformat-Hype mit eingestiegen. Zwar gibt es auch Mittelformat-Modelle, anders als bei Canon und Nikon weiß man bei Fujifilm jedoch ganz klar wohin die Reise geht. Die Objektivauswahl für APS-C Sensoren ist daher, gelinde gesagt, hervorragend. Alle Objektive die ich bisher in der Hand halten konnte machen einen sehr guten Eindruck. Bildqualität, Schärfe und Verarbeitung stimmen ohne Ausnahme und scheinen nicht nur subjektiv einen guten Eindruck zu machen, sondern werden auch regelmäßig sehr positiv getestet.

 

3.      „What-you-see-is-what-you-get“. Wahrscheinlich ein relativ selbsterklärender Punkt. Die digitalen Sucher der Fuji X-T2 und X-T20 sind so dermaßen gut, dass ich die optischen Sucher nicht vermisse. Auch werden Filmsimulationen und Helligkeit etc. bereits im Sucher angezeigt, was insbesondere Fotografieren in Schwarz-Weiß vereinfacht.

 

4.      Filmsimulationen. Fuji’s Farben und Filmsimulationen werden im Netz völlig zu Recht viel gelobt. Die an analoge Fujifilm-Filme angelegten Simulationen lassen die Bilder bereits out-of-cam hervorragend aussehen. Ich fotografiere in 99% der Fälle in RAW, nutze aber dennoch sehr gerne eine Filmsimulation (meist Classic Chrome) in Adobe Lightroom. Auch wenn ich mit meinen selbst gebastelten Presets und Looks nicht wirklich darauf angewiesen bin, die Filmsimulationen machen verdammt Spaß und sind vor allem für jpg-Fotografen genial.

 

5.      Firmware Updates. Anders als viele andere Hersteller bringt Fujifilm nicht alle paar Monate neue Kameratypen und Modelle auf den Markt. Die Möglichkeit, neue Funktionen und Verbesserungen mit Updates zu integrieren finde ich schlichtweg genial. So ist das Geld für eine einzelne Kamera hoffentlich längerfristiger angelegt.

 

6.      Manuelles Handling. Fujifilm setzt auf manuelles Handling und zwingt den Benutzer (fast) alle Einstellung mit kleinen Rädchen zu setzen. Lange Menüs und viele Knöpfe gehören somit der Vergangenheit an. Während ein manueller Blendenring für viele Filmemacher nicht ganz optimal sein dürfte, überzeugt mich die Fuji mit ihrer Haptik. Die „nimm mich in die Hand“-Ausstrahlung der X-T2 lädt mich ein, mehr zu Fotografieren. Ich habe festgestellt, dass ich so nicht nur häufiger fotografiere als früher, sondern auch ganz anders.

 

7.      Bildqualität: Die Bildqualität steht bei den Features einer Kamera natürlich nicht erst an 7. Stelle, sondern ist in den meisten Fällen das entscheidende Kriterium. Hier habe ich sie weiter hinten genannt, weil ich mit der Qualität der D610 sehr zufrieden war. Es ist also keine direkte Stärke der Fuji. Dennoch war ich überrascht, wie gut eine spiegellose APS-C Kamera mittlerweile tatsächlich ist. In puncto Bildqualität steht die Fuji X-T2 der Nikon D610 in nichts nach. Auflösung und ISO-Verhalten sind sehr gut, die Ergebnisse sind scharf, der AF sitzt. Das Ganze natürlich bei kleinerer Größe und weniger Gewicht.

 

Storytelling – am Ende zählen die Momente

Ich sehe meine Kamera als Werkzeug und bin emotional nicht wirklich an Fujifilm gebunden, so dass meine Ausführungen natürlich nur eine Momentaufnahme darstellen. Für den Moment aber halte ich die Fuji X-T2 für die ideale Kamera für meine Zwecke. Ist die Qualität besser als bei einer Nikon Vollformat Kamera? Vermutlich nicht. Im Endeffekt sind mir die letzten Prozente Qualität auch völlig egal, wenn sie mir besser dabei hilft besondere Momente einzufangen. Ich mag, ganz emotional gesehen, den analogen Touch der Kamera und Größe und Gewicht sind auf Reisen natürlich sehr angenehm. Viel wichtiger aber: Die Kamera fällt nicht sonderlich auf und ich nutze sie in vielen Momenten, in denen ich die Nikon wohl niemals aus der Tasche gezogen hätte. In der Fotografie geht es für mich um besondere Momente und Situationen und meine letzten Fotoreportagen (bspw. über die Salinas Grandes, die Cartoneros von Buenos Aires oder das Lithium-Dreieck) sind allesamt mit den Fujis entstanden. Was mich am Ende wirklich überzeugt hat, sind also vor allem die Storytelling-Qualitäten der Fuji X-Reihe.