Proteste gegen Lithium-Abbau: Reportage über die Salinas Grandes auf Spiegel Online
Die Fotostrecke und das dazugehörige Interview findet ihr auf Spiegel Online. Eine Übersicht über meine Publikationen zum Thema gibt es hier.
Für die Recherchen zu meiner Doktorarbeit war ich fast ein Jahr lang im Dreiländer-Eck zwischen Argentinien, Bolivien und Chile unterwegs. Das sogenannte Lithium-Dreieck ist eine faszinierende Region der Anden, eine Hochwüste auf 2500m-4500m. Geprägt von Vulkangestein, Salzwüsten, Steppe und Sanddünen wirkt die Gegend auf den ersten Blick karg und unwirtlich, dennoch leben hier seit Jahrhunderten verschiedene indigene Gemeinschaften (unter anderem Atacameños, Kolla, Lickanantay, Quechua und Aymara). Traditionell leben die Menschen meist von der Weidewirtschaft (vor allem Lamas, Schafe und Ziegen), von der Subsistenz-Landwirtschaft (vor allem Quinoa), von der Herstellung von Webwaren sowie häufig auch von der Salzgewinnung. Ergänzt werden diese Tätigkeiten heute oftmals vom Tourismus.
Auch finden sich in dieser Region die größten (und profitabelsten) Lithium-Vorkommen der Welt. Seit der Erfindung der Lithium-Ionen Batterie Anfang der 1990er-Jahre steigt die Nachfrage nach Lithium stetig an. Laptops, Smartphones, Tablets, aber natürlich auch Drohnen, E-Bikes und E-Scooter, in allen Geräten steckt heute eine (Li-Ion) Batterie. Vor allem aber die Erwartung zu einer Verkehrswende hin zu “nachhaltigen” Antrieben, der E-Mobilität, sorgte in den vergangenen Jahren für einen regelrechten Lithium-Boom. Im Vergleich zu einem Smartphone wird für eine Autobatterie (je nach Reichweite) etwa die 10.000fache Menge Lithium fällig.
Konflikt um die Salinas Grandes
In den Hochanden herrscht deshalb Goldgräber-Stimmung. In allen Salzseen kam es in den letzten Jahren zu Explorationsprojekten, allein in Argentinien gibt es derzeit über 60 Projekte. Während in einigen Fällen die lokalen Gemeinschaften mit den Bergbaufirmen kooperieren, kommt es in anderen Fällen zu Auseinandersetzungen und Protesten. So auch an den Salinas Grandes, eine Salzwüste zwischen den Provinzen Jujuy und Salta (Argentinien): 33 Gemeinschaften gibt es hier, viele davon leben vor allem von der Salzgewinnung, der Weidewirtschaft und dem Tourismus. Durch den Lithium-Bergbau fürchten sie negative Auswirkungen auf ihre Lebensgrundlagen. Doch neben dem Streipunkt Wasser geht es um weit mehr.
Forderung nach Selbstbestimmung
Während die Gemeinschaften lange Zeit marginalisiert am Rande des Staates lebten, erlangen sie mit der Ratiziferung des Übereinkommens über “eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern” der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO 169) abrupt starke politische Rechte. Die Gemeinschaften haben juritisch gesehen vor und während jeder Aktivität auf ihrem Territorium das Recht auf consulta previa (vorherige Konsultation). Dieses blieb im Falle der Salinas Grandes zu oft unbeachtet. Während die Gemeinschaften 2012 noch vor Argentinien’s Obersten Gerichtshof zogen um die consulta einzufordern, führten erneute Explorationen Anfang 2019 zu Straßenblockaden, Demonstrationen und einem klaren “No al Litio!” (Nein zu Lithium!"). Seitdem wird von Seiten der Gemeinschaften jede Diskussion um mögliche Projekte verweigert. Im Pochen auf ihre indigenen Rechte fordern sie politische Anerkennung und territoriale Selbstbestimmung. Dennoch hält die Provinzregierung von Jujuy an ihren Plänen zur Realisierung eines Lithium-Projektes fest. Erst vor wenigen Monaten warb die Provinz mit freien Konzessionen um mögliche Partner. Der Konflikt um die Salinas Grandes, er ist noch lange nicht zu Ende.
Weitere Fotos gibt es in meiner Fotostrecke auf Spiegel Online.