Ein Ausweg von der Straße. Besuch des sozialen Projektes Wayna Warma in Cusco, Peru

Die nachfolgenden Fotografien entstanden in Zusammenarbeit mit dem sozialen Projekt Wayna Warma im peruanischen Cusco. Der nachfolgende Artikel erschien ursprünglich im Newsroom der Universität Innsbruck.

 

Die Stadt Cusco, aus der indigenen Sprache Quechua „Der Nabel der Welt“, wurde etwa im 11. Jahrhundert auf 3420 Metern über dem Meeresspiegel gegründet. Durch seine historische Bedeutung als Inka-Hauptstadt sowie durch viele präkoloniale und koloniale Bauwerke hat sich Cusco heute zu einer florierenden Fremdenverkehrshochburg mit jährlich mehr als 3 Millionen Besuchern bei knapp 420.000 Einwohnern entwickelt. Dass es dennoch Einwohner gibt, die an der wichtigsten Einnahmequelle der Stadt nicht teilhaben, scheint bei einem Spaziergang durch das quirlige Stadtzentrum unvorstellbar. Doch viele Menschen leben in prekären Verhältnissen ohne jegliche Zukunftsperspektiven. So scheint man sich beispielswiese in dem am Hang gelegenen Stadtviertel Huayracpunco, lediglich einen Katzensprung abseits des touristischen Trubels, bereits in einer Parallelwelt zu befinden.

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Das Projekt Wayna Warma

Das Projekt Wayna Warma ist ein Projekt der Architektur und der Geographie Innsbruck und wird von Clemens Plank und Fernando Ruiz Peyré gemeinsam koordiniert. Dabei werden Wissenschaft und soziales Engagement in einem Projekt integriert. Die peruanische Sozialpädagogin Maria Elena Camacho sieht es als ihre Aufgabe, sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zu begleiten, zu unterstützen und zu fördern, um ihnen langfristig einen Ausweg aus der Armut zu ermöglichen. Unter der Leitung des Architekten Clemens Plank wurde an der Fakultät für Architektur der Universität Innsbruck ein Studentenwettbewerb zum Entwurf eines Bildungshauses veranstaltet. Die Ausarbeitung von Daniel Kranebitter und Walter Rudig, bestehend aus drei Gebäuden, wurde schlussendlich realisiert. Durch die beim Bau verwendete Stampflehmtechnik lässt sich dabei sogar das Bauprojekt selbst als innovativer Beitrag zur Nachhaltigkeit bezeichnen. Im Gegensatz zu Beton oder Ziegelbau ist Lehm ökologisch gesehen nachhaltiger, da es weniger Eingriffe in die Umwelt zur Folge hat, feuchtigkeitsregulierend wirkt und keine Recyclingprobleme verursacht. Darüber hinaus garantiert das Baukonzept auch eine tatsächliche Wertschöpfung vor Ort: Die stabile Lehmbauweise ist verhältnismäßig arbeitsintensiv, die Materialkosten dagegen minimal. So kommt es, dass bereits im Bauprozess zehn Arbeiter über zwei Jahre hinweg beschäftigt werden konnten und somit deren Familien finanziell abgesichert waren. Der erste Gebäudekomplex von Wayna Warma Perú wurde im vergangenen Jahr eröffnet. Ein zweiter Gebäudekomplex ist bereits zu 80 Prozent fertiggestellt.

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Besuch in Cusco

Rund ein Jahr nach der Eröffnung des ersten Gebäudes hatten wir – Isabella und Felix – die Gelegenheit, Maria Elena Camacho vor Ort über den Dächern Cuscos zu besuchen und uns ein Bild über ihre tägliche Arbeit mit den Kindern im neuen Bildungshaus zu machen. Derzeit nehmen etwa 25 Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis dreizehn Jahren am Projekt teil. Das neue Gebäude bietet ihnen großzügige Räumlichkeiten, einen lichtdurchfluteten Gemeinschafts- und Lernbereich mit Tischen und Bänken sowie einen Außenbereich. Obwohl jedes Kind einen individuellen Hintergrund hat, stammen sie alle aus schwierigen Familiensituationen. Neben Scheidungen der Eltern gehört Alkoholismus, sehr häufig auch der Mütter, zur Norm. Den Kindern fehlt somit häufig der wichtige Rückhalt durch die Eltern. Auch dass ein Kind Kind sein kann, ist in Peru vielerorts nicht selbstverständlich. Oft prägen Armut und prekäre Verhältnisse den Alltag der Kinder, so dass diese nicht selten bereits früh viel Verantwortung übernehmen müssen. Schon vor dem Grundschulalter helfen Kinder häufig einem Elternteil bei der Arbeit oder übernehmen Gelegenheitsjobs, wie beispielsweise Straßenverkauf oder Schuhputzer, um den Familienhaushalt zu unterstützen.

 

Werte vermitteln, Visionen fördern

Das neue Bildungshaus bietet somit nicht nur Platz für Unterricht und andere Aktivitäten, sondern gibt den Kindern auch die Möglichkeit, eigene Interessen zu verfolgen, Talente zu fördern und Visionen zu entwickeln. Die Kinder lesen, basteln, malen, werken oder spielen Fußball. Die vorhandenen Räumlichkeiten und Materialien ermöglichen es Maria Elena, gezielt Kreativität, motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten zu schulen. Besondere Aktionen wie ein Kochkurs zum „mini-Chef“ und Kurse wie Englisch oder Schwimmen können auch mithilfe von freiwilligen Volontären realisiert werden. Daneben ermöglicht eine kleine Theaterbühne die Veranstaltung besonderer Feste, welche kulturelle Aspekte vermitteln und fördern sollen. Für diese werden meist traditionelle und moderne Tänze einstudiert sowie gemeinsam musiziert. Für die Kinder vergehen die Nachmittage im Projekt Wayna Warma viel zu schnell. Für Maria Elena Camacho ist dagegen jeder Tag aufs Neue eine kleine Herausforderung, der eine intensive und zeitaufwendige Vorbereitung verlangt um gezielt die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen zu fördern. Dabei ist auch ihr Ehemann Mario sehr wichtig, welcher sie in jeglicher Hinsicht unterstützt und eine wichtige Rolle im Wayna Warma Projekt spielt.

Ein dritter Gebäudekomplex soll zukünftig Platz für VolontärInnen sowie für ein kleines Büro für Maria Elena Camacho bieten um zukünftig dort alle administrativen und organisatorischen Aufgaben erledigen zu können. Zudem soll das Büro auch Anlaufstelle für die pädagogische Beratung und Unterstützung der Eltern sein. Für eine ganzheitliche Entwicklung der Kinder versucht Maria Elena vor allem auch die Mütter in das Wayna Warma Projekt zu integrieren. So entstanden in der jüngeren Vergangenheit beispielsweise Nähnachmittage oder Tanzkurse für die Mütter.

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Maria Elena und ihr Mann Mario verstehen es nicht nur, Werte im gemeinsamen Miteinander zu vermitteln, sondern schaffen es auch, die Kinder zu Visionen anzuleiten. Neben den Traumberufen Arzt, Bürgermeister, Fußballer und Polizist hörten wir auch mehrfach den Wunsch, später als Bauingenieur einmal selbst so ein Haus zu bauen. So ist aus der Vision eines Hauses zweier Innsbrucker Architekturstudenten schließlich gelebte Praxis und somit viele kleine Visionen und Träume entstanden. Mehr Informationen zum Bildungshaus Wayna Warma und zu Spenden- und Engagementmöglichkeiten unter www.waynawarma.com.

(geschrieben von Isabella Kopp & Felix Dorn)