Gastwissenschaftler an der Universität Utrecht

 

Von Mitte Oktober 2021 bis Ende Januar 2022 war ich als Gastwissenschaftler an der Universität Utrecht[1]. Neben meinem generellen Interesse für die Niederlande hat mich besonders die Arbeit einiger Wissenschaftler:innen der International Development Studies (IDS) Gruppe im Bereich Humangeographie und Raumplanung interessiert. Unter der Leitung von Annelies Zoomers, Kei Otsuki und Alberto Alonso-Fradejas gibt es hier zahlreiche spannende Projekte zu Themen wie Agrar-Extraktivismus, Land Grabbing und den sozial-ökologischen Auswirkungen der Energiewende.

 

Theoretisch-konzeptionelle Zusammenarbeit

Wenn auch mit einem anderen regionalen Fokus, ist die Nähe zu meinen theoretisch-konzeptionellen Arbeiten sehr offensichtlich, weshalb wir einige gemeinsame Aktivitäten geplant hatten. Die im Spätherbst stark zunehmende Corona-Welle hat vielen dieser Pläne leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dennoch konnte ich Kontakte stärken, mehr über die Arbeit einiger Kolleg:innen erfahren und im Rahmen des Development Research Seminars einen Vortrag über meine aktuellen Forschungsvorhaben halten. Darüber hinaus möchte ich die Erfahrung nicht missen, abseits meiner Lateinamerika-Aufenthalte auch mal die Arbeit an einer anderen europäischen Universität kennenzulernen.

 

Die Universität Utrecht

Die Universität Utrecht ist eine Campus-Uni im Osten der Stadt, die über eine Art Fahrrad-Highway schnell zu erreichen ist. Die Räumlichkeiten der IDS-Gruppe befinden sich im sechsten Stock eines Gebäudes in der Princetonlaan. Die Wertschätzung der Universität gegenüber Ihren Mitarbeiter:innen ist mir in vielerlei Hinsicht positiv aufgefallen. Alle Gebäude sind extrem offen, hell und modern gestaltet. Begegnungszonen, höhenverstellbare Schreibtische und kostenloser Kaffee gehören hier genauso zum Alltag wie ein Fahrradparkhaus oder regelmäßiges Homeoffice. Das Arbeitsregime schien mir dabei auch über gegenwärtige Lockdowns hinaus sehr flexibel. Tatsächlich wohnten die meisten Kolleg:innen nicht einmal in Utrecht. Die vergleichsweise kurzen Distanzen des Landes und die gute Taktung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs ermöglichen das gelegentliche Pendeln auch aus Städten wie Den Haag, Amsterdam, Delft, Rotterdam oder Gouda.

 

 
 
 

Neue Maßstäbe in der Stadtplanung

Allein für diese Eindrücke möchte ich die Erfahrung nicht missen. Aber auch das Kennenlernen der Stadt Utrecht und der erweiterten Umgebung hat sich auf alle Fälle gelohnt. Neben der kleinen, von Grachten durchzogenen Altstadt ist der gesamte erweiterte Innenstadtbereich quasi autofrei. Große Fahrradinfrastrukturprojekte, wie das größte Fahrradparkhaus der Welt und zahlreiche Fahrrad-Highways, bescherten mir zahlreiche Aha-Effekte. Ich will damit nicht sagen, dass es hier keine Probleme gäbe. Besonders die Wohnungssituation ist in den Niederlanden sehr angespannt und begünstigt nach wie vor Kaufen gegenüber Mieten. Dadurch sind Mieten um die 1000€ für ein winziges WG-Zimmer auf dem Markt keine Seltenheit. Doch der hervorragend funktionierende öffentliche Nah- und Fernverkehr sowie vor allem die auf das Fahrrad ausgelegte Stadtplanung setzen in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe. Eine Stadt ohne Auto ist also auch jenseits von neu konzipierten Planstädten möglich.


[1] Formal wurde das Zustandekommen dieses Visiting Research durch eine bestehende Erasmus-Kooperation der Universität Innsbruck und der Universität Utrecht begünstigt. Auch außerhalb bestehender Abkommen sind solche Visits jedoch möglich.