Winterreise nach Island: Polarlichter fotografieren
Polarlichter, die Aurora Borealis auf der Nordhalbkugel und die Aurora Australis auf der Südhalbkugel, gehören zu den beeindruckendsten Naturschauspielen unserer Erde. Die geheimnisvollen Leuchterscheinungen sind nicht leicht vorauszusagen. Zwar gibt es heutzutage jede Menge Apps und Websites wie beispielsweise Polarlicht-Vorhersage (für iOS habe ich positives über Aurora Now gelesen), welche einem bei den Tendenzen helfen können, dennoch sind diese niemals hundertprozentig zuverlässig. Polarlichter können sowohl in verschiedenen Intensitäten, Formen und Bewegungen als auch in unterschiedlicher Dauer auftreten. Anders als die Sterne am Nachthimmel und die Milchstraße tauchen Polarlichter plötzlich auf – und verschwinden ebenso plötzlich wieder.
Wann und wo findet man Polarlichter?
Polarlichter sind in erster Linie, wie der Name schon andeutet, in der Nähe der Pole zu beobachten. Da in den Sommermonaten nördlich des 60. Breitengrads die Dämmerung nicht endet, ist für die tatsächliche Sichtbarkeit also vor allem die Jahreszeit ausschlaggebend. Die Polarlicht-Saison geht daher ungefähr von Oktober bis März. Auf der Nordhalbkugel sehr beliebte Ziele zum Beobachten von Polarlichtern sind insbesondere die skandinavischen Länder Norwegen, Schweden, Finnland und Island. Auch der Norden Kanadas, Grönland, Nord-Schottland, Alaska und Nordsibirien eignen sich sehr gut zum Beobachten von Polarlichtern. Doch nicht nur die Nächte müssen dunkel werden, auch die Lichtverschmutzung sollte so gering wie möglich sein. Auch wenn der Mond beim Beobachten und Fotografieren von Polarlichtern kein Störfaktor ist, gilt als Faustregel: Je dunkler desto besser.
Winterreise nach Island
Über Neujahr machten wir uns auf die Suche nach den geheimnisvollen Leuchterscheinungen und flogen nach Island. Die interessante Landschaft in Norwegen und Island machen die beiden Länder besonders spannend für die Polarlicht-Fotografie. Doch die Jagd nach Nordlichtern gestaltete sich schwieriger als erwartet. An vielen Tagen machte uns schlicht und einfach das extrem wechselhafte Wetter einen Strich durch die Rechnung. Um die Chancen wirklich Polarlichter zu sehen zu erhöhen sollte deine Reise also nicht zu kurz sein. Rückblickend muss ich sagen, dass eigentlich nur die erste Nacht wirklich erfolgreich war. Hier wurden wir im Grunde komplett überrascht und machten uns mitten in der Nacht in der Nähe unserer Hütte auf die Suche nach einem passenden Vordergrund. Am Silvesterabend hatten wir dann erneut Glück. Diesmal standen die Nordlichter jedoch nur knapp über dem Horizont und waren nicht leicht zu fotografieren. Wie man an dieser kurzen Erfahrung bereits sieht können Polarlichter sehr unterschiedlich sein. Doch wie fotografiert man diese nun?
Eine Frage der Technik?
Wie immer in der Fotografie stellt sich natürlich die Frage des Equipments. Normalerweise halte ich die Technikfrage für völlig überbewertet. Ein guter Fotograf wird auch mit einer veralteten günstigen Kamera gute Fotos machen, ein Anfänger wird hingegen auch mit einer Nikon Z7 oder einer 6000 Euro Leica keine besseren Fotos machen. Ob APS-C, Vollformat oder Mittelformat - das Problem steht meist hinter dem Sucher. Nun, die Astrofotografie bildet hier gewissermaßen eine Ausnahme. Um auch nachts einigermaßen kurze Verschlusszeiten zu erreichen benötigt man eine möglichst rauschunempfindliche Kamera, und beim ISO-Rauschen ist ein Vollformat-Sensor auf jeden Fall von Vorteil. Zudem benötigt man ein lichtstarkes Weitwinkel-Objektiv. Ich fotografiere normalerweise mit einer Fujifilm X-T2 APS-C Kamera, greife aber bei Nachtaufnahmen gerne auf meine Nikon D610 in Kombination mit einem Walimex 14mm 2.8 zurück. Wenn deine Reise kurz bevor steht du aber nur Kamera X oder Y besitzt, vergiss das oben geschriebene. Mit jeder modernen Spiegelreflex- oder Systemkamera mit manuellem Modus lassen sich heutzutage Polarlichter fotografieren.
Equipment:
- Manuelle, idealerweise rauschunempfindliche Kamera
- (Lichtstarkes) Weitwinkel-Objektiv
- ein gutes, schwingungsarmes Stativ
- Kabelauslöser
- Extraakkus für Kamera
- Stirnlampe mit Rotlicht
- Eventuell Handwärmer, Thermosflasche oder ähnliches zum Aufwärmen
- Warme Kleidung
Oft vernachlässigt finde ich dagegen die Frage des richtigen Stativs. Während der „Polarlicht-Saison“ kann es nördlich des 60. Breitengrads schon mal kalt und sehr windig werden. Stabil und schwingungsarm sollte es also auf jeden Fall sein. Ich benutze für solche Zwecke meist ein Feisol CT3442. Um die Schwingungen der Kamera noch weiter zu reduzieren sollte auf jeden Fall ein Fernauslöser verwendet werden. Ich empfehle dabei aufgrund der Kälte unbedingt einen Kabelauslöser ohne zusätzliche Batterien. Extraakkus für die Kamera sollten ebenfalls mit auf die Liste!
Polarlichter fotografieren
Mal erscheinen sie nur knapp über dem Horizont, mal stehen sie direkt über einem. Mal erleuchten sie statisch den Nachthimmel, mal bewegen sie sich extrem schnell. Eine pauschale „Anleitung“ zur Polarlicht-Fotografie zu formulieren ist quasi unmöglich. Dennoch gibt es einige technische Basics, die man auf jeden Fall beachten sollte.
Wer sich schon ein wenig mit der Sternen-Fotografie beschäftigt hat weiß, dass die Faustregel 500/Brennweite (KB-Equivalent) dabei hilft, Sterne punktförmig statt als Striche abzubilden. Bei meinem 14mm Objektiv an Vollformat (bei APS-C einfach Brennweite x Cropfaktor rechnen) komme ich so auf maximal 35 Sekunden. Ich gehe normalerweise nicht über 25 Sekunden hinaus. Bei Polarlichtern sind jedoch selbst 25 Sekunden häufig zu lange. Bei sehr hellen und sehr schnellen Polarlichtern reichen unter Umständen schon 2-8 Sekunden. Bei statischen Lichtern sind 8-13 Sekunden ein guter Startwert. Leider waren unsere Polarlichter nicht besonders hell, mit dem bloßen Auge noch gut als grüner Schleier sichtbar, aber leider auch nicht mehr. Ich habe deshalb meist rund um die 20 Sekunden belichtet. Je länger man belichtet, desto intensiver sind die Farben. Dafür macht die lange Belichtungszeit in einigen Fällen bereits die besonderen Konturen der Polarlichter zunichte und wirkt etwas „matschig“. Eine offene Blende und hohe ISO-Werte sind deshalb auf jeden Fall hilfreich.
Um die Belichtungszeit so kurz wie möglich zu halten, sollte die Blende so offen wie möglich sein (ideal ist f2.8 oder besser). Mit dem Zusammenspiel aus ISO und Belichtungszeit würde ich einfach ein wenig experimentieren. Ich habe mit ISO 3200 ganz gute Ergebnisse erzielt. Darüber gehe ich eher ungern. Bei Schnee reichen teilweise auch deutlich niedrigere ISO-Werte wie 800 oder gar darunter.
Auf jeden Fall würde ich immer im RAW-Format fotografieren, da der Nachthimmel in Bezug auf den Weißabgleich oft noch etwas Anpassung bzw. Nachbearbeitung erfordert. Auch solltest du nicht vergessen, bei der Arbeit mit Stativ den Bildstabilisator deines Objektivs auszuschalten. Oft unterschätzt wird zudem die Frage des Fokuspunkts. Auch wenn viele Objektive ein Zeichen für Unendlich besitzen, stimmt dieser Wert nicht automatisch mit dem tatsächlichen Fokuspunkt überein. Diesen Punkt solltest du unbedingt schon vorher berücksichtigen und üben. Mach vielleicht bei Tag ein paar Test-Shots und merk dir die Stelle? Auch Tape kann hier helfen.
Zu guter Letzt möchte ich dich gerne noch an einen besonders wichtigen Aspekt erinnern, der gerne vernachlässigt wird. Ein Polarlicht-Foto ist in erster Linie eine Landchaftsaufnahme. Genauso solltest du auch fotografieren. Hast du nur den Nachthimmel darauf wirkt die Aufnahme höchstwahrscheinlich langweilig. Die erste Euphorie über den Sternenhimmel und die Nordlichter verfliegt schnell, wenn man wieder am eigenen Monitor sitzt. Such dir deshalb unbedingt führende Linien, einen spannenden Vordergrund, eine Person als Motiv oder andere Punkte, die auch in der Landschaftsfotografie funktionieren würden. In der Astrofotografie ist die Technik zwar nicht unwichtig, aber selbst hier lassen sich mit dem besten Equipment schlechte Ergebnisse erzielen. Entscheidend ist – wie immer – dein fotografischer Blick und deine kreative Umsetzung.