Südamerikas Lithium-Dreieck: Lithium-Bergbau in Argentinien, Bolivien und Chile

 

Durch das zunehmende Interesse an Lithium als möglichem Schlüsselelement für Zukunftstechnologien und die international wachsende Nachfrage rückt das so genannte „Lithium-Dreieck“ immer stärker in den medialen Fokus. Das Lithium-Dreieck beschreibt ein Gebiet im Dreiländereck Argentiniens, Boliviens und Chiles, zwischen der argentinischen Puna, dem bolivianischen Altiplano und der chilenischen Atacamawüste.

Das Lithium hier stammt aus Salzpfannen oder Salzseen, auf Spanisch Salares. Die Gewinnung ist deutlich günstiger als aus Gestein. Bei der Extraktion wird die lithiumhaltige Sole (eine Art Salzwasser) aus Hohlräumen des Untergrundgesteins in große Oberflächenbecken gepumpt. Durch die geringe Luftfeuchtigkeit und die starke Sonneneinstrahlung verdunstet das Wasser in einem 12 bis 24-monatigen Prozess. Zurück bleibt eine mineralhaltige Lithium-Lösung. Mithilfe einer chemischen Behandlung werden die die verschiedenen enthaltenen Mineralien anschließend in Aufbereitungsanlagen voneinander getrennt.

Im jüngsten Bericht des US Geological Survey werden dem Lithium-Dreieck etwa 60% der weltweiten Ressourcen sowie etwa 86% der in Salzlaugen gelösten Reserven zugeschrieben. Die aktuelle Bedeutung und Aufmerksamkeit des Lithium-Dreiecks erklärt sich jedoch nicht nur aus der Anzahl der Vorkommen, sondern auch aus seinem Potenzial für die kostengünstige Gewinnung. Dabei ist jedes Land, jeder Salzsee und jede der umliegenden indigenen Gemeinschaften sehr unterschiedlich. Es gibt also nicht den einen Lithium-Bergbau. Im folgenden Beitrag versuche diesen Punkt ein wenig genauer darzustellen.

Das südamerikanische Lithium-Dreieck

Das südamerikanische Lithium-Dreieck

Unterschiedliche Strategien im Lithium-Dreieck

Der Boom der 2000er Jahre und der komparative Kostenvorteil des Lithium-Dreiecks sorgte unter südamerikanischen PolitikerInnen und JournalistInnen für viele Diskussionen über das geostrategische Potenzial des Rohstoffs. Viel diskutiert wurde beispielsweise die Idee einer Art Lithium-OPEC zur Preiskontrolle oder die Möglichkeit einer weitergehenden nationalen Industrialisierung.

Der Lithium-Bergbau wird in Argentinien, Bolivien und Chile jedoch politisch sehr unterschiedlich umgesetzt. Chile und Bolivien haben, anders als Argentinien, eine ausgeprägte Bergbautradition. So wird in Chile bereits seit den 1980er-Jahren Lithium abgebaut und in Argentinien wird der Bergbau über Lizenzen an internationale Konzerne geregelt. In Bolivien pocht man hingegen, zur Überwindung des kolonialen Erbes, auf eine nationale Lithium-Gewinnung.

Lithium-Bergbau am Salar de Atacama, Chile

Bereits 1963 stellte der Betreiber der Kupfermine Chuquicamata eine bemerkenswerte Lithiumkonzentration im Salar de Atacama, der mit 3.000 km2 größten Salztonebene Chiles, fest. Nach ersten Explorationsarbeiten in den 1970er-Jahren unterzeichnete die Militärregierung Pinochets 1975 einen Vertrag über die Nutzung und Extraktion der Vorkommen. Wenige Jahre später beginnt SCL (Sociedad Chilena del Litio, später Rockwood Lithium und heute Albemarle) mit der Konstruktion und 1984 mit der Inbetriebnahme der Mine. Ebenfalls zu Beginn der 1980er Jahre wurde der Chemie-Riese SQM (Sociedad Química Minera de Chile) privatisiert und in die Hände der kanadischen Potash Corporation sowie Julio Ponce Lerous, dem damaligen Schwiegersohn Pinochets, übertragen. 1997 eröffnete Ponce Lerou mit SQM die bis heute größte Lithiumproduktionsstätte der Welt.

Die Klassifizierung als strategische Ressource sorgte in Chile dafür, dass die beiden privaten Lithium-Bergbauprojekte vor Konkurrenz durch weitere ProduzentInnen geschützt würden. Der Bergbausektor kritisierte die relativ strenge chilenische Lithiumgesetzgebung lange Zeit für seine „bremsende“ Wirkung. 2012 sorgte der Versuch der chilenischen Regierung Piñeira, den Vertrag von SQM zu verlängern, für anhaltende Proteste und Kontroversen. Bei der genaueren Prüfung kamen zahlreiche „unzulässige Zahlungen“ ans Licht. SQM ist dabei in nicht weniger als den größten Korruptionsskandal der chilenischen Geschichte verstrickt.

Die kurz darauf ins Amt gewählte Regierung unter Michelle Bachelet rief daraufhin die „Comisión Nacional del Litio“ ins Leben und ratifizierte, basierend auf dessen Bericht den strategischen, nicht konzessionierbaren Charakter der nationalen Lithiumreserven. Auch kamen die Umweltauswirkungen am Salar de Atacama, die Umsetzung nationaler Industrialisierungsprozesse und eine staatliche Lithium-Gewinnung an den Salaren Maricunga und Pedernales (mithilfe der staatlichen Firma CODELCO) auf die politische Agenda.

Ein neuer Vertrag mit Albemarle sieht nun höhere Abbaugebühren, eine Verdopplung der Extraktionsvolumina sowie finanzielle Abgaben (3,5% des Jahresumsatzes) an die indigenen Gemeinschaften vor. Die direkte monetäre Teilhabe der indigenen Gemeinschaften an den Verkaufsumsätzen Albemarles hat die Beziehungen und Machtverhältnisse zwischen Staat, Bergbaufirmen und den indigenen Gemeinschaften stark verändert.

Ein neuer Vertrag mit SQM wurde – auch deshalb – vorerst mit juristischen Mitteln der indigenen Dachorganisation Consejo de Pueblos Atacameños (CPA) in San Pedro de Atacama gestoppt. Die Gemeinschaften pochen auf einen besseren Vertrag mit SQM und verweisen auf die ökologischen Folgen der Extraktion. Die Extraktionsfläche am Salar de Atacama hat sich zwischen 1997 und 2017 rund vervierfacht. Jüngere Studien verdeutlichen, dass die Langzeitfolgen des enormen Wasserverbrauchs am Salar de Atacama bereits sehr gut feststellbar sind.

Lithium-Mine SQM Chile-1.jpg

Bolivien: Auf dem Weg zu Batterien made in Bolivia?

In Bolivien hat der „Ressourcenfluch“ eine lange Geschichte. Diese beginnt bereits mit der Erschließung des Berges Cerro Rico, des Silberberges, bei Potosí. Durch seine Bedeutung für Zukunftstechnologien hat Lithium außerdem einen äußert symbolischen Charakter. Der erste indigene Präsident des Landes, Evo Morales, betonte deshalb immer wieder, die koloniale Geschichte werde sich nicht wiederholen. Statt des unverarbeiteten Rohstoffs wolle man Lithium-Ionen Batterien sowie Elektrofahrzeuge exportieren. Der Ressourcenfluch sollte mit Lithium endlich überwunden werden.

Bolivien verfolgt dazu das Ziel einer nationalen Gewinnung und Weiterverarbeitung. Gemäß der neuen Verfassung von 2009 gelten alle Lithiumressourcen als „strategische Ressourcen“. Jeglicher Abbau ist deshalb dem Staat vorbehalten. Mithilfe der neu gegründeten GNRE (Dirección Nacional de Recursos Evaporíticos), später YLB (Yacimientos de Litio Bolivianos), begann die Regierung mit dem Bau der Pilotanlage Llipi Llipi am Südufer des Salar de Uyuni. 2010 wurde ein Dreiphasenplan vorgestellt, der 1) die Pilotproduktion zum Abbau von Lithium, 2) die weitergehende Industrialisierung zu Lithiumkarbonat und Kaliumchlorid und 3) die Produktion von Lithium-Ionen Batterien in den Händen der staatlichen Firma COMIBOL (Corporación Minera de Bolivia) vorsieht.

Kooperationen mit internationalen Konzernen wurden zu Beginn des Projektes kategorisch ausgeschlossen. Internationale ExpertInnen und WissenschaftlerInnen äußerten immer wieder Zweifel an den notwendigen Technologien, der nötigen Infrastruktur und dem Know-How für eine nationale Umsetzung. Obwohl zwischenzeitlich Verträge mit der südkoreanischen Firma Kores-Posco und später auch mit der deutschen Firma ACI Systems abgeschlossen wurden, konnte Bolivien, Stand 2021, nach wie vor noch nicht mit der Phase der kommerziellen Lithiumgewinnung beginnen.

Der bolivianische Salar de Uyuni ist der größte Salzsee der Welt.

Der bolivianische Salar de Uyuni ist der größte Salzsee der Welt.

Abbau durch multinationale Konzerne in Argentinien

Argentinien geht bei der Ressourcenpolitik einen dritten Weg. Die Bergbaugesetzgebung ist in Argentinien ein Erbe der Strukturanpassungsmaßnahmen und Reformen der 1990er-Jahre. Auf argentinischem Staatsgebiet können alle Bodenschätze für die Exploration, Erschließung und Nutzung an private Unternehmen veräußert werden.

Außerdem sind die Bodenschätze Angelegenheit der Provinzen. Für die drei vergleichsweise armen Provinzen Jujuy, Salta und Catamarca im Nordwesten des Landes bietet der Verkauf von Konzessionen, der Erhalt von Investitionen und die Einnahme von Abbaugebühren die Chance, Arbeitsplätze zu schaffen, ihren Provinzhaushalt zu verbessern und ihre politische Unabhängigkeit gegenüber der nationalen Regierung zu stärken. In den 1990er-Jahren wurde Argentinien somit zum einen für wirtschaftliche Globalisierungsprozesse geöffnet (Liberalisierung und Flexibilisierung), zum anderen wurde die staatliche Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt (Deregulierung). Diese grundsätzliche Ausrichtung des Landes wurde auch unter den progressiven Regierungen von Néstor Kirchner (im Amt von 2003 bis 2007) und Cristina Fernandez de Kirchner (im Amt von 2007 bis 2015) nicht verändert.

Zwischen 1993 und 1997 errichtete Minera del Altiplano (die lokale Tochterfirma der amerikanischen FMC, heute Livent) das Projekt „Fénix“ auf dem Salar del Hombre Muerto im äußersten Norden der Provinz Catamarca. Im Dezember 1997 wurde die Mine offiziell eingeweiht. Zwar kann der Lithium-Bergbau in Argentinien neben dem Projekt Fénix eher als eine jüngere Entwicklung betrachtet werden, mit der Einweihung der Lithium-Mine am Salar de Olaroz im Jahr 2014 wurde das Land nach Australien, Chile und China zum viertgrößten Lithiumproduzenten sowie zum zweitgrößten Lithiumkarbonat-Exporteur weltweit.

Der neoliberale Ansatz Argentiniens in Bezug auf den Lithiumbergbau führte dabei in den vergangenen Jahren zu einer hohen Marktdynamik und einer ausgeprägten Expansion. Heute sind alle Salare in den Provinzen Jujuy, Salta und Catamarca mit Bergbaukonzessionen überzogen und es gibt zahlreiche Projekte in einer fortgeschrittenen Explorations- oder bereits in einer Bauphase.

Auf dem Weg nach Pocitos, Provinz Salta, verweisen zahlreiche Schilder auf Lithium-Projekte

Auf dem Weg nach Pocitos, Provinz Salta, verweisen zahlreiche Schilder auf Lithium-Projekte

Wie reagiert die lokale Bevölkerung auf den Lithium-Bergbau?

Je nach politischem Kontext, sozialen und ökologischen Gegebenheiten reagieren die indigenen Gemeinschaften der Region sehr unterschiedlich auf den Lithium-Bergbau. Die staatliche Lithium-Förderung Boliviens wurde von lokalen AnwohnerInnen lange Zeit aktiv als „Projekt des Volkes“ unterstützt. In Chile verteidigen die Gemeinschaften ihr Territorium gegen Ansprüche des Staates.

Im Rahmen meiner Doktorarbeit habe ich hingegen die genauen Auswirkungen in der Provinz Jujuy untersucht. Während die indigenen Gemeinschaften im Einzugsgebiet des Salar de Olaroz-Cauchari der Lithium-Extraktion zugestimmt haben und mit den Bergbaufirmen zusammenarbeiten, positionieren sich die 33 Gemeinschaften im Einzugsgebiet der Salinas Grandes-Guayatayoc gegen den Lithium-Bergbau und suchen den Konflikt. Darum ging es beispielsweise auch in meinem Interview auf Spiegel Online. werde ich in einem weiteren Beitrag etwas umfassender darstellen.

Protestmarsch der 33 Gemeinschaften der Salinas Grandes gegen den Lithium-Bergbau

Protestmarsch der 33 Gemeinschaften der Salinas Grandes gegen den Lithium-Bergbau

Zum Weiterlesen:

Dieser Artikel basiert auf einem längeren Kapitel meiner Dissertation “Der Lithium-Rush. Lokale Extraktionsbedingungen im Kontext Gloaber Produktionsnetzwerke in Nordwest-Argentinien”. Die Arbeit erscheint in Kürze auch in Buchform.